Großbritanniens neues Abschiebe-Gesetz in der Kritik

Großbritanniens neues Abschiebe-Gesetz in der Kritik
UN sehen Verstoß gegen die Genfer Flüchtlingskonvention
Nach monatelangem Gezerre hat das britische Parlament ein Gesetz verabschiedet, das die Abschiebung von Geflüchteten nach Ruanda ermöglicht. Es soll zur Abschreckung dienen. UN und Menschenrechtler sehen den Bruch von internationalem Recht.

Frankfurt a. M., London (epd). Das vom britischen Parlament verabschiedete Gesetz zur Abschiebung von Asylsuchenden nach Ruanda stößt auf heftige Kritik. Die Vereinten Nationen und Menschenrechtsorganisationen sehen darin einen Verstoß gegen internationales Recht. Die Briten versuchten, die Verantwortung für den Flüchtlingsschutz zu verlagern und schafften einen besorgniserregenden globalen Präzedenzfall, erklärte der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge, Filippo Grandi, am Dienstag.

Nach langer Debatte hatte das Parlament das Gesetz in der Nacht auf Dienstag verabschiedet. Es ermöglicht dem Vereinigten Königreich, Ruanda als sicheres Land zu definieren und Schutzsuchende ohne Aufenthaltsgenehmigung dorthin abzuschieben, damit sie in dem ostafrikanischen Land ihr Asylverfahren durchlaufen. Eine Rückkehrmöglichkeit nach Großbritannien besteht nicht.

Dies soll laut der britischen Regierung als Abschreckung für Geflüchtete und Schleuser dienen. Damit das Gesetz in Kraft tritt, muss König Charles sein Einverständnis geben. Dies wird in den nächsten Tagen erwartet. Die ersten Flüge sollen laut der Regierung innerhalb der nächsten zehn bis zwölf Wochen starten.

Die UN-Hochkommissare für Flüchtlinge, Grandi, und für Menschenrechte, Volker Türk, forderten die britische Regierung auf, ihren Plan zu überdenken. Grandi zufolge verstößt er gegen die Genfer Flüchtlingskonvention. Amnesty International bezeichnete das Gesetz als „Schande“: „Wie jedes andere Land hat auch Großbritannien die Pflicht, Flüchtlingen Sicherheit zu bieten.“ Mehrere Flüchtlings- und Menschenrechtsorganisation hatten bereits im Vorfeld angekündigt, juristisch gegen das Gesetz vorzugehen.

Ruanda hielt sich derweil mit Kommentaren zurück. Die sonst häufig genutzten Kanäle der ruandischen Regierung in sozialen Medien blieben zunächst still. Im Vorfeld hatte Ruanda stets beteuert, jederzeit bereit für die Ankunft von Asylbewerbern aus Großbritannien zu sein. Dafür hatte die Regierung eigens mehrere Hotels zu Aufnahmezentren umfunktioniert und diese trotz der Verzögerungen weiter unterhalten.

Die Einstufung Ruandas als sicheres Land soll ein juristisches Vorgehen gegen die Abschiebungen erschweren. Das Oberste Gericht Großbritanniens hatte einen ersten Entwurf Mitte November als nicht vereinbar mit geltenden Menschenrechtsgesetzen kassiert, weil den Flüchtlingen im ostafrikanischen Land kein faires Verfahren garantiert werden könne, Ruanda somit kein sicherer Staat für sie sei. Das neue Gesetz soll der britischen Regierung zudem ermöglichen, Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nicht zu befolgen.

Premierminister Rishi Sunak verfolgt das Vorhaben seit seiner Amtsübernahme im Oktober 2022 gegen alle Widerstände und Bedenken. Viel Kritik kommt auch wegen der Kosten des Plans. Laut der staatlichen Aufsichtsbehörde National Audit Office (NAO) hat das Vereinigte Königreich Ruanda bereits 220 Millionen Pfund (rund 255 Millionen Euro) an Ruanda gezahlt. Weitere 150 Millionen Pfund sollen folgen sowie zusätzliche Mittel für jede abgeschobene Person.

Der Britische Flüchtlingsrat erklärte, das neue Gesetz sei menschenfeindlich und werde lediglich das Chaos im Asylsystem verschlimmern, mit riesigen Kosten für die Steuerzahler. „Das Ruanda-Vorhaben ist nichts als ein schlagzeilenträchtiger Plan für markige Sprüche und Slogans“, sagte der Vorsitzende Enver Solomon. Nach Regierungsangaben würden im Höchstfall 5.000 Flüchtlinge pro Jahr nach Ruanda ausgeflogen. Derweil seien Zehntausende Menschen im Vereinigten Königreich vom Asylsystem ausgeschlossen, weil die Regierung im vergangenen Jahr entschieden habe, keine Anträge mehr zu bearbeiten.