"Proteste gegen rechts nicht in Familie ausklammern"

Menschenmassen bei einer Demonstration gegen rechts auf dem Roemerberg in Frankfurt am Main
© epd-bild/Heike Lyding
Kundgebung gegen die AfD und Rechtsextremismus am Samstag auf dem Roemerberg(21.01.2024) in Frankfurt am Main. Wegen der hohen Zahl an Teilnehmern wurde bei der Kundgebung die Versammlungsflaeche bis zum Paulsplatz erweitert. Sowohl der Roemerberg als auch der Paulsplatz waren ueberfuellt. 40.000 Menschen versammelten sich laut Polizei auf dem Roemerberg und dem Paulsplatz.
Kinderpsychologin zu Demos
"Proteste gegen rechts nicht in Familie ausklammern"
Kinderfragen zu den großen Demonstrationen gegen Rechtsextremismus sollten nach Ansicht der Wuppertaler Kinder- und Jugendpsychologin Aleksandra Kaurin im Familienkreis ernsthaft besprochen werden: "Das klingt banal, ist es aber nicht, weil Eltern durch Erklärungen strukturieren und damit Sicherheit vermitteln."

Die Professorin der Universität Wuppertal sagte dem Evangelischen Pressedienst,  entsprechend dem jeweiligen Alter sollten Mütter und Väter ihre Kinder auf den verschiedenen Ebenen abholen, um mit ihnen über die derzeitigen Ereignisse nach der Veröffentlichung der "Correctiv"-Recherche und mögliche Sorgen zu reden. Als Rückversicherung sollten Eltern einen Überblick über die Informationsquellen ihrer Kinder haben, um eventuelle und belastende Missverständnisse nachhaltig entkräften zu können, riet Kaurin.

Eltern sollten zudem gut abwägen, ob sie ihre Kinder mit auf die Demonstrationen gegen rechts und für Demokratie mitnehmen wollen. "Das hängt vom Alter der Kinder ab oder zum Beispiel von der körperlichen Grenze", erklärte die Leiterin der psychotherapeutischen Universitätsambulanz für Kinder und Jugendliche in Wuppertal.

Unabdingbar sei hier ebenfalls das vorherige einordnende Gespräch. "Eltern sollten mit den Kindern besprechen, warum sie eine solche Veranstaltung besuchen und verdeutlichen, welche Bedeutung es haben kann, gemeinsam ein Zeichen für Demokratie zu setzen", sagte Kaurin. In den Medienberichten seien zum Beispiel immer wieder Kinder mit selbst gemalten Plakaten zu sehen, die eine kindgerechte Aufarbeitung des Themas deutlich machten.

Kritische Stimmen, die bei Kindern auf den Demonstrationen gegen Rechtsextremismus von Bevormundung oder gar "Indoktrinierung" sprechen, kann die Professorin für Klinische Kinder- und Jugendpsychologie nicht teilen. Kinder würden natürlich dadurch geprägt, was sie vom Elternhaus mitnehmen. "Das heißt nicht, dass sich das im späteren Leben nicht ins Gegenteil umschlagen kann", sagte Kaurin, die zu Entwicklungs-, Persönlichkeits- sowie der klinischen Psychologie forscht. Die Diskussion spiegelt ihrer Meinung nach die aufgeladene gesellschaftliche Situation wider: "Bei den derzeitigen Demonstrationen geht es um die Wahrung der Menschenrechte!"

Klar distanzieren sollten sich Eltern allerdings von diffusen Rufen einzelner Gruppen aus der Menge wie "Alle hassen die AfD". "Auf Gewalt sollte nicht mit Gewalt reagiert werden", unterstrich Kaurin, die mit ihrem Team an der im Oktober eröffneten Hochschulambulanz 100 Kinder und Jugendliche vom Babyalter bis 21 Jahren behandelt. In einer vom Bund geförderten Tagebuchstudie wird in den kommenden zwei Jahren zu rassistischen Diskriminierungserfahrungen und psychische Gesundheit von Jugendlichen geforscht.

Auslöser der Protestwelle war eine "Correctiv"-Recherche über ein Treffen von AfD-Vertretern mit Neonazis und Unternehmern Ende November. Dabei wurde über die massenhafte Ausweisung von Menschen mit Migrationsgeschichte gesprochen.