Fehrs: Religion nicht Fanatikern überlassen

Kirsten Fehrs
© epd-bild/Stephan Wallocha
Vor dem Hintergrund des Angriffs der Hamas auf Israel verurteilte Bischöfin Kirsten Fehrs Antisemitismus: "Er fordert unser unmissverständliches Nein." (Archivbild)
Bischöfin am Reformationstag
Fehrs: Religion nicht Fanatikern überlassen
Die Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs hat die Religionsgemeinschaften dazu aufgerufen, sich auf Gewaltfreiheit zu besinnen. Es sei heute nötiger denn je, heilige Schriften nicht Fanatikern zu überlassen, sagte sie am Dienstag in ihrer Predigt zum Reformationstag in Lutherstadt Wittenberg.

Reformation heiße, dass sich Religionsgemeinschaften immer wieder auf ihren Kern besinnen, der das Leben wolle und nicht die Gewalt. Religion werde häufig für Ideologien vereinnahmt, sagte die stellvertretende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Es sei eine Erkenntnis von Martin Luther (1483-1546) gewesen, dass Staat und Kirche unterschiedliche Aufgaben hätten: "Seine Erfahrung war: Wo die Kirche politische Macht ausübt, wird die Religion zum Zwangssystem und der Staat totalitär."

Diese Erkenntnis sei besonders wichtig, wenn Religion zur Rechtfertigung für Unterdrückung oder als Brandbeschleuniger für Gewalt missbraucht werde. Fehrs wies in dem Zusammenhang auf die Rolle des Oberhaupts der russisch-orthodoxen Kirche, Patriarch Kyrill, im Ukraine-Krieg hin.

Vor dem Hintergrund des Angriffs der Hamas auf Israel verurteilte Fehrs Antisemitismus: "Er fordert unser unmissverständliches Nein. Er ist menschenverachtend. Gottlos. Nicht zu dulden."

Gleichzeitig rief sie zum Einsatz für Demokratie mit einer Gemeinschaft auf, die sich "entschlossen gegen Rassismus und Terror stellt, wo und wie auch immer." Die Bergpredigt sei kein Regierungsprogramm. Sie gebe Orientierung, um immer wieder zum Frieden zu mahnen, der sich nicht allein durch Waffengewalt durchsetzen lasse.

Kurschus: Eigenes Denken und Handeln stets hinterfragen

Mit Blick auf die Eskalation im Nahen Osten sagte die EKD-Ratsvorsitzende Annette Kurschus am Dienstag im ZDF-"Morgenmagazin": Die Rolle der Religionen sei jetzt, "dass wir uns nicht in die aufgeheizte, emotionale Debatte begeben, wo jeder meint, recht zu haben und auf der richtigen Seite zu sein". Alle Religionen sollten gemeinsam nach Wegen hin zum Frieden, zu Verständigung und Versöhnung suchen, fügte Kurschus hinzu, die auch westfälische Präses ist: "Das ist ein Anliegen aller Religionen". Der Reformationstag ruft laut Kurschus dazu auf, "das eigene Denken und Handeln immer wieder kritisch zu hinterfragen. Das ist der Kern der Reformationsbotschaft."

Zum Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober sagte Kurschus, diese Attacke sei eindeutig antisemitisch begründet gewesen, mit dem Ziel, Jüdinnen und Juden zu vernichten. "Mit diesem Ansinnen haben wir in Deutschland, haben wir als Christinnen und Christen eine eigene Geschichte, insofern tragen wir da eine besondere Verantwortung." Daher stehe man jetzt ganz klar an der Seite der Jüdinnen und Juden. "Und wir sehen das Leid der Menschen, die jetzt im Gaza-Streifen sind, das Leid, das letztlich verursacht ist durch die Hamas."

Der braunschweigische Landesbischof Christoph Meyns hob zum Reformationstag die Rolle der Staatengemeinschaft angesichts der Konflikte in der Ukraine und im Nahe Osten hervor. Ihre Aufgabe bestehe darin, das Völkerrecht zu stärken, sagte er in der Marktkirche in Goslar. In Israel stehe aktuell die Trauer um die Opfer und die Solidarität mit dem Staat Israel im Mittelpunkt, sagte Meyns. "Es muss aber auch hier darum gehen, eine Ausweitung der Gewalt zu verhindern und die Zivilbevölkerung auf beiden Seiten so gut es geht zu schützen."

Am Reformationstag erinnern Protestant:innen in aller Welt an den Beginn der Reformation durch die Veröffentlichung der 95 Thesen von Martin Luther am 31. Oktober 1517. Mit seiner Kritik an der Kirche seiner Zeit stieß Luther Veränderungen an, die später zum Entstehen der evangelischen Kirche führten.