Eine Kirche zum Gruseln

Viele Bilder der bunt erleuchteten und geschmückten Kirche
© Kirchengemeinde Gambach und Ober-Hörgern
Die Kirchengemeinden verbinden Halloween und Reformationstag mit Kinderaktion und der Verbreitung einer hoffnungsvollen Botschaft.
Halloween ein wenig anders
Eine Kirche zum Gruseln
In der fusionierten Gemeinde Gambach und Ober-Hörgern in der hessen-nassauischen Landeskirche wird zum dritten Mal für Halloween die Kirche geöffnet. "Gruseln an der Kirche" heißt das Event und erfreut sich großer Beliebtheit. Evangelisch.de hat mit dem Gemeindepfarrer Jörg Liebig und dem Organisationsteam gesprochen.

Auf dem Kirchhof lodert ein Lagerfeuer, Grabkerzen zeigen den Weg in die Kirche, drinnen schweben Geister zwischen Nebel umher und die ganze Kirche ist bunt beleuchtet. In der fusionierten Gemeinde Gambach und Ober-Hörgern findet heute zum dritten Mal das "Gruseln an der Kirche" statt. In den beiden Stadtteilen von Münzenberg in Hessen gehört das Event seit drei Jahren zum Kirchenjahr dazu.

Dieses Jahr lautet das Motto "Licht in der Dunkelheit", denn der Kirchengemeinde geht es um eine hoffnungsvolle Botschaft in einer Zeit, in der sich viele Menschen sorgen. Die Kirche wird dafür geschmückt und bunt beleuchtet. Kindergottesdienst-Teamerin Jutta erzählt: "Wir haben die Engel-Kostüme vom Krippenspiel als Geister an die Decke gehängt, so dass es ein bisschen gespenstisch wirkt. Außerdem haben wir große Spinnen und Vorhänge aufgehängt. Es gibt ein kleines Buffet mit abgeschnittenen Fingern aus Würstchen und Muffins mit Spinnen." Draußen am Lagerfeuer sind Marshmallows zu haben. Zudem wird jedes Jahr etwas mit den Kindern in der Kirche gebastelt. Letztes Jahr gab es einen leuchtenden Geist, der an einem Stock durch die Gegend schweben konnte. Dieses Jahr sollen Spinnen auf Holzspießen gebastelt werden. 

Ein weiteres Highlight ist die "Geisterbahn" in der Kirche. Sie besteht aus fünf Fühlkisten, die in einer Kirchenbank liegen. Jutta erzählt: "Wir fragen die Kinder: Wer ist mutig? Wer traut sich zum Beispiel das Gehirn von Dracula anzufassen? Da ist dann ein Blumenkohl in der Fühlkiste. Der Magen von Frankenstein ist ein ausgehöhlter Kürbis, wir haben einen Handschuh aus Leder ausgestopft als abgeschnittene Hand, und das Monsterauge ist eigentlich eine Cremedose. Das hat die Kinder wahnsinnig aufgeregt und manche haben sich bis zum Schluss nicht getraut, das anzufassen. Andere haben gejuchzt und geschrien und wollten direkt noch einmal durchlaufen." 

Auch der Reformationstag kommt nicht zu kurz. Gemeindepfarrer Jörg Liebig erzählt: "Wir haben überlegt, wo wir die Menschen abholen können. Auch Luther hat sich stark gegruselt. Er hatte Angst, wie er mit seinem Gott umgehen sollte, und wie er vor seinen Gott bestehen konnte. Die Lösung war auch die Reformation; also die Entdeckung, dass es den liebenden Gott gibt. Den Gott, der die Menschen annimmt und der sie beschützt. Das passt eigentlich super mit Halloween zusammen. Wir schmücken nicht nur die Kirche, sondern versuchen auch noch, den Leuten einen Input mitzugeben. Nicht belehrend, sondern verspielt."

Der Kirchenvorstand ist als Luther verkleidet

So verkleidet sich ein Kirchenvorstandsmitglied beispielsweise als Mönch und spielt Martin Luther, dem die Kinder Fragen stellen können. Dazu gibt es noch ein Quiz, das die Kinder selbstständig bearbeiten können. Außerdem sehen die Besucher einen Film über die Reformation. Das Bemerkenswerte an dem Erklär-Film sei gewesen, dass sich dadurch auch viele Eltern, die ihre Kinder begleitet haben, in ein Gespräch über den Reformationstag haben verwickeln lassen. Jutta sagt: "Es war erstaunlich, wie viele Erwachsene überhaupt gekommen sind. Damit haben wir überhaupt nicht gerechnet. Es kamen aber auch ältere Leute, die sich einfach nur an die Kirchenbank gesetzt und das Ganze beobachtet haben." Zudem gebe es parallel im anderen Ortsteil der Gemeinde einen Reformationsgottesdienst. 

In den größten Stoßzeiten seien bis zu 50 Kinder gleichzeitig zum "Gruseln an der Kirche" gewesen. Die jüngsten seien erst vier Jahre alt, die meisten aber Schulkinder. Viele Kinder seien vorher noch nie in der Kirche gewesen, andere würden die Kirche nur vom Kinderchor oder Kindergottesdienst kennen. "Die Kirche kennen sie nur mit den begleitenden Worten  ‚Leise sein!‘, ‚Jetzt dauert es nicht mehr lange‘ oder ‚Gleich könnt ihr raus‘. Hier durften sie rumlaufen, durch die Bänke, nach vorne und nach hinten, und das hat ihnen unglaublich gut gefallen", erzählt Jutta von den Erfahrungen der letzten Jahre. "Wir hatten außerdem sehr viele Eltern, die uns positives Feedback gegeben haben. Es ist uns wichtig, einen einfachen Zugang für die Familien in die Kirche zu ermöglichen. Kritik gab es von Leuten, die mit Halloween und der Vermarktung nicht einverstanden sind. Es gibt auch Leute, die sagen, dass das alles etwas Teuflisches ist." 

Der Gemeindepfarrer Jörg Liebig berichtet von seinen anfänglichen Zweifeln: "Da musste ich überlegen: Traue ich mich das? Aber es ist einfach eine schöne Idee, mit der man die Lebenswelt der Menschen wahrnimmt. Die Kinder freuen sich auf Halloween und sagen ‚Wir finden das blöd‘ ist der falsche Weg, um damit umzugehen."

Der Pfarrer sieht seine Rolle darin, die kritischen Stimmen von den Ehrenamtlichen fernzuhalten, denn sie hätten bereits genug zu tun. "Es gibt auch Menschen, die mich angesprochen haben oder mir Zeitungsartikel aus evangelikalen Zeitungen geschickt haben", erzählt der Pfarrer. "Es wurde gesagt: ‚Das ist ein satanisches Fest.‘ Mit diesen Menschen versuche ich ins Gespräch zu kommen, aber meistens ist die Gesprächsbereitschaft leider nicht sehr groß. Überwiegend wird das Angebot aber positiv angenommen. Ich sehe dort zwischen acht und zwölf Mal so viele Menschen wie an einem Reformationstags-Gottesdienst."

Enormer Zulauf nach Halloween

Jutta kann auch von nachhaltigen positiven Erfahrungen berichten: "Es war tatsächlich so, dass wir nach Halloween einen enormen Zulauf im Kindergottesdienst haben. Das bleibt natürlich nicht so. Aber im November beginnen die Krippenspielproben und wir können schon davon ausgehen, dass wir keine Probleme haben werden, Schauspieler zu finden." Auch Teamerin Maja findet: "Es macht den Kindern einfach Spaß, und man erreicht nochmal mehr Leute. Die Menschen sind sowieso unterwegs und ziehen um die Häuser, dann kann man sie auch erreichen und mit Kirche anders in Verbindung bringen. Sie kommen in die Kirche ohne das klassische Gottesdienstformat. Die Hemmschwelle ist später dann einfach niedriger, in die Kirche zu gehen, wenn man vorher schon einmal da gewesen ist."

Pfarrer Liebig schließt sich an: "Es ist eine unglaublich schöne Möglichkeit, mit den Menschen in Berührung und mit sehr, sehr vielen ins Gespräch zu kommen. Es ist eine Aktion, die gerne zur Tradition werden darf."

Das Ganze wird mit einem Team aus Ehrenamtlichen umgesetzt. Dazu gehören die Teamer:innen aus dem Kindergottesdienstteam, Kirchenvorstehende, die zum Beispiel Martin Luther spielen oder eine Nebelmaschine ausleihen, einen Tontechniker und Lichttechniker, einen Vater, der auf das Feuer aufpasst, der Gemeindepfarrer Jörg Liebig und auch zwei Mütter, die zum Helfen kommen.
Angekündigt wird die Aktion durch Mund-zu-Mund-Propaganda, Zeitungsanzeigen, WhatsApp Gruppen und durch die Lichter, die zum Kirchhof und zur Kirchentür führen.

Dieses Jahr gibt es außerdem noch etwas Neues: Wer die besten Kürbisse geschnitzt hat und mitbringt, bekommt ein Geschenk. Das Team ist gespannt, schließlich ist die Kürbisernte dieses Jahr nicht so stark ausgefallen.