Lieber John,
Sie wünschen sich eine "sichtbare", wirksame und beteiligungsstarke Kirche. Die Bibel kennt auch andere Bilder, die aufmerksam werden lassen für das Handeln der Kirche: Die Saat, die im Verborgenen aufwächst; das Getreide, das neben Dornen und Fels auf guten Boden fällt - um nur zwei Beispiele zu nennen. Gott handelt in der Kirche nicht weniger und nicht mehr als andernorts in seiner Welt - das bedeutet auch, meine ich, eine eigene Selbstbegrenzung im Blick auf ein Urteil darüber, wie mächtig/ wirksam Gottes Handeln in unserer Welt ist. Und wie gut, dass es sich nicht von unserem menschlichen Handeln abhängig machen lässt! Auch wenn wir uns gewiss dann und wann einen höheren Kirchenbesuch wünschen würden: Die Annahme, es gebe hier eine Verfallsgeschichte innerhalb des Christentums, lässt sich statistisch nicht belegen. Keineswegs ist es so, dass "früher" grundsätzlich mehr Menschen am kirchlichen Leben teilgenommen hätten als heute. Wir stehen heute allerdings vor ganz anderen Herausforderungen, in der einer Welt, die sich religiös pluraler und individueller darstellt. Das ist aber erstmal keine Gefahr, sondern ein großer Reichtum!
Und noch ein Hinweis zur "Urgemeinde": Wären all die Ermahnungen, Hinweise, Ratschläge in den frühchristlichen Schriften denn wirklich nötig gewesen, wenn die frühen ChristInnen wirklich "ein Herz und ein Seele" gewesen wären? Auseinandersetzungen darum, was "richtiger" Glaube ist und über das, was ethisch richtiges Handeln ist, gehören von Anfang an zum Christentum dazu.
Freundlich grüßt
Ihre Friederike Erichsen-Wendt