Warren Buffett Zeitungsgott

Warren Buffett Zeitungsgott

Wenn Warren Buffett Zeitungen kauft, kann es um das Erlösmodell so schlecht nicht bestellt sein. Print hat das letzte Wort zum Hoodiejournalismus. Die Autoflotte macht einen auf ADAC und manipuliert ihren Autoflotten-Award. Und nicht mal Menschen über 50 mögen noch "Wetten, dass..." schauen.

Ein Warren Buffett kann nicht irren. Immerhin ist Buffett von Beruf „legendärer Investor“ (Spiegel), und wenn der sich ein kleines Konsortium an Lokalzeitungen zulegt, müssen diese doch eine Zukunft haben. Das schreibt in dieser Woche Markus Grill im Spiegel, der auf seinen Medienseiten einen Ausflug in die amerikanische Provinz unternimmt.

Sollen die Journalisten in Deutschland sich doch damit abmühen, die Probleme ihrer Branche mit einer Diskussion über die Kleiderordnung lösen zu wollen (keine Sorge, eine Fortsetzung der beliebten Serie „Der Hoodiejournalismus“ gibt es weiter unten). In den USA ist man sicher schon viel weiter, wenn dort „ein so cleverer Geschäftsmann wie Buffett“ Zeitungen kauft. Oder?

Nach drei Seiten weiß man, dass Buffett als 13-Jähriger mal Zeitungen ausgetragen hat, dass er ein ganz passabler Zeitungsweitwerfer ist, dass er mittlerweile über 70 Lokalzeitungen besitzt und dass diese mehr Lokales, weniger Weltgeschehen bringen. Langweilige Vereins-PR, wie sie in deutschen Lokalzeitungen vergleichbarer Größe abgedruckt wird, findet sich nirgends“, schreib Grill. Viel mehr scheint man vom amerikanischen Modell aber auch nicht lernen zu können: Auch dort sinken Verkaufszahlen wie Anzeigenerlöse, Mitarbeiter werden entlassen und die Preise bei den Druckereien gedrückt. So bleibt letztendlich ein für Buffett einträgliches Geschäft – einfach, weil er die Zeitungen derzeit so billig kaufen kann und sie ein bisschen Profit doch noch abwerfen.

Hat hier irgendwer Leichenfledderei gesagt? Selbst wenn man es so hart nicht ausdrücken mag: Nach Zukunftsmodell klingt das nicht.

Vielleicht wissen, da wir gerade schon im Ausland sind, die Schweizer mehr. Dort ist die Neue Zürcher Zeitung auf der Suche nach neuen Zürcher Erlösquellen, wie Ralf Leonhard in der taz schreibt. Fündig geworden ist sie ausgerechnet in einer Expansion nach Österreich, wo der Markt noch so locker und fluffig zu sein scheint, dass ein Schlachtschiff wie die NZZ bequem Platz findet.

„Ob das neue Produkt nur digital verfügbar sein oder auch gedruckt werden soll, ist noch nicht entschieden. Genausowenig ist ausgemacht, ob die Österreich-NZZ im Wochenrhythmus oder doch täglich erscheinen soll. (...) Das Einzige was Michael Fleischhacker im Telefonat mit der taz ausschließen kann, ist ein ,Printprodukt ohne digitale Komponente’“,

schreibt Leonhard. Und noch etwas ist schon gewiss: „Österreich soll dabei so eine Art Versuchskaninchen abgeben bevor die Eroberung Deutschlands unternommen wird.“

Zumindest bei den von der Zusammenlegeritis befallenen Lokalzeitungen (Altpapier vom Freitag) scheinen sich nach diesem Modell ganz neue Möglichkeiten zu eröffnen: Die Leipziger Volkszeitung bekommt einen Lokalteil Unna, der Trierische Volksfreund kooperiert mit der Magdeburger Volksstimme und die Rheinische Post erscheint mit Halle-Saale-Seiten. Denn in Halle an der Saale kann man sich sicher nichts Schöneres vorstellen, als die Welt demnächst aus Düsseldorf erklärt zu bekommen.

Oder, anders gesagt: Die Zukunft hatten wir uns anders vorgestellt.

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Dann doch lieber zurück zum guten, alten, bereits versprochenen Hoodiejournalismus (miese Überleitungen: check).

Denn am Sonntag meldete sich der Mann, der die Debatte vor Jahrzehnten (Online-Zeitrechnung) bzw. in der letzten Ausgabe (Print-Zeitrechnung) losgetreten hatte, endlich selbst zu Wort.

„Das wollte ich nicht“ schreibt Harald Staun in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung in der Rubrik „Die lieben Kollegen“ – also genau dort, wo er vor einer Woche Stefan Plöchinger als Schluffi im Kapuzenpulli bezeichnete, den man ja ruhig in die Chefredaktion der SZ lassen könne. Wenn denn im Gegenzug auch mal ein Journalist die Verantwortung von sueddeutsche.de übernähme (Altpapier vom Montag, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag und Freitag).

Ich mache lieber Witze, als sie zu erklären, aber dass dieser zu Reaktionen führte, welche die Stoßrichtung der Pointe grandios missverstanden, hat mich doch ziemlich überrascht“, schreibt Staun. Um im Folgenden die vermeintliche Kernkompetenz gut bezahlter Feuilleton-Print-Journalisten auszuleben: Nämlich verschwurbelt zu beteuern, dass es so ja gar nicht gemeint gewesen sei und die Kampflinie doch eigentlich nicht zwischen Print und Online, sondern zwischen Journalismus und Medienrevolution verlaufe.

(„Die Frage ,Print oder Online?’ ist aber längst nur noch ein Ablenkungsmanöver, der Schleier, hinter dem sich radikale Veränderungen nicht nur des Journalismus abspielen, Veränderungen, vor denen man sich weder durch Ignoranz noch durch Affirmation schützen kann.“)

Nebensätze! Fremdwörter! Nimm dies, Internet! Fast meint man, hier habe jemand darauf spekuliert, dass diese mit der Aufmerksamkeitsspanne einer Stubenfliege ausgestatteten Online-Journalisten angesichts solcher Sätze frühzeitig aus dem Text aussteigen und so das große Finale verpassen. Das da lautet:

„Wäre es wirklich eine Beleidigung für die stolzen ,Onliner’, wenn in Zukunft nicht nur ihr Chef den Kollegen von Zeitung und Internet vorsteht, sondern auch umgekehrt die Papierchefs die Verantwortung für die Digitalabteilung mittragen – Menschen, die vielleicht nicht ganz so viel Ahnung von Page-View-Analysen und Suchmaschinenoptimierung haben, aber dafür womöglich einen weiteren Blick auf die Zusammenhänge der digitalen Welt?“

In anderen Worten: Is' ja gut, ihr Online-Heinis, Cms, Seo und PIs, das könnt ihr. Aber die großen Zusammenhänge, dafür braucht man doch ein Denkerstübchen bei einem etablierten Printtitel.

Fast schade, dass die Debatte damit wirklich durch sein dürfte, weil so ein Print-Journalist das letzte Wort behält – einfach, weil seine Zeitung als letztes erschienen ist.


Altpapierkorb

+++ Was der ADAC kann, das kann die Autoflotte schon lange – nämlich die Ergebnisse von Autopreisen manipulieren. Diesmal geht es um den Autoflotten-Award der Zeitung aus dem Fachverlag Springer Automotive Media, wie Newsroom schreibt. Die Preisverleihung wurde jetzt erstmal abgesagt. +++

+++ Hat das ZDF 2009 mit dem Relaunch seiner Nachrichtensendung auch deren Erkennungsmelodie neu erfunden, oder ist die neue heute-Fanfare nur eine alte Fanfare in neuen Tonfolgen? Das darf am Donnerstag das Oberlandesgericht München klären, wo der Musikverlag Richard Birnbach Klage gegen das ZDF eingelegt hat, wie der Spiegel berichtet. +++

+++ Beim Focus hat man derweil das Meinungsforschungsinstitut Emnid gebeten, sich von 1000 Deutschen noch einmal bestätigen zu lassen, was die sinkenden Quoten bereits vermuten lassen: Die Deutschen haben langsam genug von „Wetten, dass...“. 39 Prozent der Befragten wollen, dass die Show weiterläuft, 40 Prozent wollen das nicht. Die restlichen 21 Prozent haben gar nicht erst geantwortet. Interessant ist, dass ausgerechnet die Kernzielgruppe des ZDF, die über 50-Jährigen, die Schnauze noch ein bisschen voller haben als der Rest: Hier sind nur 29 Prozent für die Fortführung. „Allerdings nennt der Focus keine Vergleichwerte. Es ist also unklar, ob ,Wetten, dass..?’ jemals beliebter war oder die Sendung – laut Emnid – tatsächlich an Popularität verloren hat“, heißt es bei Meedia. +++

+++ Im Nachklapp zu den Portraits, die man für 5000 Euro wohl beim Handelsblatt ordern kann (Altpapier vom Mittwoch), interviewt die SZ die Kommunikationswissenschaftlerin Sabine Kieslich von der Uni Mainz, die zum Verhältnis von Redaktion und Werbung promoviert hat. Schleichwerbung nehme zu, und viele Leser könnten Advertorials nicht von redaktionellen Beiträgen unterscheiden, erzählt sie. „In Frauenzeitschriften kann man heute redaktionell vorgestellte Produkte direkt auf der Magazin-Website kaufen. Von außen lässt sich kaum beurteilen, ob Absprachen oder Kooperationsmodelle dahinterstehen.“ +++

+++ Die Türkei hat gestern gewählt, zumindest kommunal, und sich wieder für den Mann entschieden, der unlängst Twitter und Youtube abstellen ließ. Womit sich Recep Tayyip Erdogan übrigens ins eigene Fleisch schnitt, wie Yücel Özdemir, Deutschland-Korrespondent der türkischen Zeitung Evrensel, bereits am Wochenende im Neuen Deutschland schrieb. 4,18 Millionen Follower und über 3000 Tweets wies @RT_Erdogan auf, bis am 20. März plötzlich Schluss mit Twittern war. Müssen wir noch sagen, dass er auf seinem Profil fleißig Youtube-Filme verlinkte und sogar griffige Hashtags kreierte wie – kurz Luftholen - „Die Nation wird sich nicht beugen, Die Türkei wird nicht verlieren“? „Erst als seine Gegner es ihm gleichtaten, mutierte Erdogan zu dem Herrscher, der keine Opposition duldet. Die Türkei gehört mittlerweile neben China, Nordkorea und Iran zu den Staaten, die den Zugang zum Kurznachrichtendienst untersagen“, erklärt Özdemir. +++

+++ Ebenfalls bereits am Wochenende hat Daniel Bouhs in der taz aufgeschrieben, dass derzeit offenbar jeder Hanswurst einen Presseausweis bekommt, nur nicht jeder Journalist. Etwa 80.000 Presseausweise seien derzeit im Umlauf, hat Bouhs recherchiert. Dieser Inflation soll nun die Wiedereinführung eines amtlichen Presseausweises entgegen wirken, nur echt mit einem Hinweis der Innenminister. „Bis 2007 durften etablierte Fachverbände auf ihren Ausweisen eine entsprechende offizielle Anerkennung der Innenminister vermerken. Dann stritten immer mehr Verbände darüber, wer diesen aufgewerteten Ausweis ausstellen durfte, sogar vor Gericht. Der Politik war das am Ende zu anstrengend. Sie stieg aus.“ Nun will die Politik den offiziellen Presseausweis wieder einführen. Bekommen sollen den, wenn es nach dem DJV geht, nur noch, „wer seinen Lebensunterhalt mir Journalismus oder PR bestreitet.“ Moment? PR? Sollte dieser neue, von offiziellen Innenministern empfohlene Ausweis nicht nur Journalisten vorbehalten sein? Naja. In „Pressesprecher“ kommt das Wort Presse schließlich auch vor. Wenn das mal keine guten Nachrichten für die Verkäufer von Zitronenpressen, Pressspanplatten und Erpresser sind. +++

+++ „Wie ich mich jeden Tag betrunken und mit beinahe jeder Frau in New York geschlafen habe“ – das sei der wahre Titel der Serie „How I Met Your Mother“, die heute Abend in den USA zu Ende geht, meint Jürgen Schmieder in der Süddeutschen Zeitung. Und erzählt dann noch einmal für alle, die es in den vergangenen neun Jahren verpasst haben, die Handlung nach. Die FAZ, die sich bereits in ihrer Freitagsausgabe von der Serie verabschiedete, indem sie an die letzten Folgen anderer Serien erinnerte, hat derweil ihren Text als Bildergalerie online gestellt. +++

+++ Heute widmet sich die FAZ auf ihrer montaglich zusammengeschrumpften Medienseite dem Krimi „Tod an der Ostsee“, der abends im ZDF läuft. In einem mecklenburgischen Dorf wird ein vierjähriges Mädchen überfahren, weil der Autofahrer mit Krampf im Bein nicht bremsen konnte. Schuld am Tod hat damit damit niemand. Dennoch eskaliert die Situation. „Eine Besetzung der oberen Güteklasse, fast ein Dutzend Hauptfiguren, die Beschränkung auf einen kleinen, eng besiedelten Ort: hervorragende Voraussetzungen für ein atmosphärisch dichtes Ensembledrama, das vielleicht ein wenig melodramatisch hätte sein können, düster unbedingt, beklemmend auch. Stattdessen ist ,Tod an der Ostsee' so beliebig wie sein Titel“, meint Heike Hupertz. +++

+++ Und in der FAS ging es am Sonntag noch um den „Kampf ums Boxen in der ARD“: „Nach Informationen der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung wollen einzelne Rundfunkräte der neun Landesrundfunkanstalten der ARD das Auslaufen des Vertrages mit dem Boxveranstalter Sauerland zum Ende dieses Jahres dazu nutzen, die Kämpfe ganz aus dem Programm zu verbannen.“ +++

Der Altpapierkorb füllt sich morgen wieder.

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