"Man schreit sich liebevoll an"

Ein Festivalbesucher zeigt auf dem Festivalgelände in Wacken das Zeichen der Heavy-Metal-Fans, die "Pommesgabel" (Archiv).
Foto: dpa/Carsten Rehder
"Man schreit sich liebevoll an"
Seelsorge auf dem Wacken-Festival
Wenn am Mittwoch (29. Juli) 75.000 Heavy-Metal-Fans in das kleine schleswig-holsteinische Dorf Wacken pilgern, sind auch 20 Seelsorger dabei. Abwechselnd im Schichtdienst stehen sie vier Tage lang rund um die Uhr für Gespräche bereit.

Manche Besucher hätten den ganzen Tag über Spaß bei den Konzerten, sagt Diakon Björn Hattenbach (37). "Aber abends stellt am fest, man ist ganz allein unter 80.000 Besuchern." Björn Hattenbach ist Diplom-Sozialpädagoge aus Neumünster und bereits zum fünften Mal dabei. Es sei eine besondere Stimmung auf dem Festival, weiß er aus den vergangenen Jahren. "Die Leute haben Urlaub und Partylaune."

Durch die Musik würden viele Emotionen hochkommen, dazu kämen häufig Alkohol und Drogen. "Da brechen Sachen auf, mit denen sie gar nicht gerechnet haben." Dann können sie sich bei Björn Hattenbach und seine Kollegen Rat holen. "Die Gespräche sollen helfen zu strukturieren, was ist da eigentlich los."

Wichtig sei, den Menschen erst einmal zuzuhören, sagt Björn Hattenbach. Therapiestunden kann er nicht anbieten, aber weiterführende Hilfe und Adressen von Beratungsstellen. Hattenbach: "Es ist Hilfe zur Selbsthilfe." So kann er den Besuchern einen Rat mit auf den Weg geben oder eine Anlaufstelle zu Hause vermitteln. Manchmal helfe aber auch schon eine Umarmung oder der Satz: "Schön, dass du da bist!"



Die Wacken-Seelsorger haben ein festes Zelt und sind bei den Rettungsdiensten angedockt. Sie sind aber auch auf dem gesamten Festivalgelände im Einsatz. Am Graben vor der Bühne habe manch ein Besucher schon Panik bekommen, erinnert sich Björn Hattenbach. "Weil sie das Gefühl haben, es erdrückt sie." Dann sind die Seelsorger einsatzbereit und helfen mit Gesprächen weiter. Wenn er gefragt werde, bete er auch mit den Metal-Fans. Es sei aber nicht sein vordringlichstes Anliegen. "Bei uns geht es vor allem um ein offenes Ohr, viel Zuspruch und Hilfestellung."

Ohropax-Stöpsel hat Björn Hattenbach vorsichtshalber eingepackt. Für seine seelsorgerlichen Gespräche wird er sie allerdings nicht nutzen. "Das hindert mich, die Nuancen zu hören." Sein Standort werde beschallt vom Musik-Mix der verschiedenen Bühnen. Bei seinen Gesprächen müsse er deshalb gegen einen massiven Lärmpegel ankommen. Es koste unheimlich viel Kraft, um genau herauszuhören, wo das Problem liegt. "Man schreit sich liebevoll an."

Eingeläutet wird das Festival mit einem Metal-Gottesdienst in der Dorfkirche von Wacken. Gemeindepastorin Petra Judith Schneider begrüßt dazu am Mittwoch um 17.30 Uhr ihren Kollegen Gerald Warnecke aus Köln. Warnecke war in den 80er Jahren Gitarrist von "Running Wild" und ist als "Preacher" in der Metalszene bekannt.