TV-Tipp: "Tatort: Der Fall Reinhart", 20.15 Uhr (WDR)

TV-Tipp: "Tatort: Der Fall Reinhart", 20.15 Uhr (WDR)
"Einfach nur traurig" findet Hauptdarsteller Klaus J. Behrendt die Geschichte dieses "Tatorts" mit dem dürren Titel "Der Fall Reinhardt". Für den Film gilt das naturgemäß nicht minder, aber die Bestürzung verbirgt sich gewissermaßen hinter den Bildern, denn vordergründig erzählen Dagmar Gabler (Buch) und Thorsten C. Fischer eine nicht unübliche Krimihandlung.

Nach einer Brandstiftung sterben drei kleine Kinder in den Flammen ihres Hauses. Die Mutter wird kurz drauf völlig verwirrt am nahen Rheinufer entdeckt, der Vater ist verschwunden. Alles spricht dafür, dass die Familie Opfer eines Feuerteufels geworden ist, der schon seit einiger Zeit sein Unwesen treibt. Doch je intensiver sich die Kölner Kommissare Ballauf (J. Behrendt) und Schenk (Dietmar Bär) mit Familie Reinhardt befassen, um so mehr wandelt sich der Film zum Drama.

Thorsten C. Fischer ("Romy") ist das Kunststück gelungen, bei seinem fünften "Tatort" aus Köln auf sämtliche handelsüblichen Versatzstücke zu verzichten und trotzdem einen fesselnden Krimi zu inszenieren, weil die Spannung emotionaler Natur ist. Das funktioniert vor allem dank herausragender darstellerischer Leistungen: Theaterstar Susanne Wolff, für "Mobbing" mit dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet, verkörpert Karen Reinhardt mit einer großen Intensität. Erst nach und nach arbeitet das Drehbuch die ganze Tragödie dieser Frau heraus, die sich selbst unter einen enormen sozialen Druck setzt. Ihr Lebensentwurf fiel allerdings in sich zusammen, als ihr Mann schon vor Jahren seine Arbeit verlor, was die Nachbarn der Familie bis heute nicht ahnen. Von all dem weiß Karen Reinhardt jedoch nichts mehr: Durch den Schock sind die letzten zwei Jahre wie ausgelöscht.

Wichtig: Polizeiliche Kleinarbeit

Auch wenn Wolff neben Ballauf und Schenk unzweifelhafte Hauptfigur der Geschichte ist: Die Rolle von Gerald Reinhardt ist naturgemäß nicht minder wichtig. Die Besetzung mit Ben Becker in seinem ersten "Tatort" seit gut 15 Jahren zeigt, welche Bedeutung dem Ehemann zukommt, selbst wenn er erst in der zweiten Hälfte des Films auftaucht. Natürlich gilt auch der zum Jähzorn neigende Familienvater als verdächtig, erst recht, als sich rausstellt, dass er nach einem gesellschaftlichen Totalabsturz in Holland einen Neuanfang gefunden hat und dabei ist, eine zweite Familie zu gründen; womöglich wollten er oder seine neue Lebensgefährtin das frühere Kapitel endgültig beenden.

Ähnlich viel Zeit wie für die Entfaltung des Familiendramas nehmen sich Buch (Dagmar Gabler) und Regie für die polizeiliche Kleinarbeit. Die auf den ersten Blick überschaubare Handlung entwickelt eine bemerkenswerte Komplexität, zumal die Geschichte immer wieder überraschende Wendungen nimmt. Es gibt diverse Nebenschauplätze, etwa die leicht kindisch wirkende Animosität Ballaufs gegen einen Psychologen (Peter Benedict), der der Ex seiner Freundin ist. Angenehm beiläufig wird auch der äußerst aufmerksame vorübergehende Nachfolger (Patrick Abozen) der in der letzten Episode ("Franziska") ermordeten Assistentin eingeführt. Beeindruckend ist nicht zuletzt der optische Aufwand, weil Fischer und seinem ausgezeichneten Kameramann Holly Fink viele sehr sorgfältig gestaltete Bilder gelungen sind, bei denen sich meist auch im Hintergrund etwas tut. Beide haben mit diesem hochkonzentrierten Film nicht zuletzt herausragendes Handwerk abgeliefert.