Zwischen Hoffnung, Angst und Dankbarkeit im Kirchenasyl

Foto: epd-bild/Stefan Arend
Sarah und Amir im Kirchenasyl in Essen.
Zwischen Hoffnung, Angst und Dankbarkeit im Kirchenasyl
Romantisch ist das aktuelle Zuhause von Sarah und Amir zwar nicht. Nach langer Flucht ist das Paar aber froh über eine Bleibe. Im Kirchenasyl in Essen erleben die beiden Iraner eine große Hilfsbereitschaft und sprechen über ihre Angst vor Abschiebung.

Seit drei Jahren sind Sarah und Amir (Namen geändert) auf der Flucht. Im evangelischen Weigle-Haus in Essen hat das iranische Paar Kirchenasyl gefunden, umgeben von bunten Graffitis der dortigen Jugendgemeinde. Links rauschen die Autos auf der A40 vorbei, rechts die Waggons der Deutschen Bahn. Das Gelände können die beiden 36-jährigen Christen seit sieben Monaten nicht verlassen: Die Ausländerbehörde Herne hat sie zur Fahndung ausgeschrieben. Sie gelten als "flüchtig", weil sie ins Kirchenasyl gegangen sind.

Trotzdem ist das Ehepaar froh, nicht in den Iran zurück zu müssen. "Die Menschen hier helfen uns so sehr", sagt Sarah mit leiser Stimme. 2012 war sie mit ihrem Mann über Schweden nach Deutschland geflohen. Amir unterstützte im Iran die Opposition gegen die Politik des damaligen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad. Dafür verbrachte er eineinhalb Monate im Gefängnis. Erst nach einer Lösegeldzahlung kam er wieder frei.

Zuvor hatten die Eheleute über Verwandte die Bibel kennengelernt und einen christlichen Gesprächskreis besucht, der sich in ihrer Wohnung traf. Ein riskanter Schritt - die Konversion zu einer anderen Religion steht für Muslime im Iran unter Todesstrafe.

"Es ist unsere Pflicht, Menschenrechtsverletzungen zu verhindern"

Während Sarahs Bruder nach einer vergleichbaren Vorgeschichte als anerkannter Asylbewerber in Deutschland lebt, wurde ihr Asylantrag in Schweden abgelehnt. Das Paar sollte abgeschoben werden und floh weiter. In Deutschland sollten Sarah und Amir zurück nach Schweden überstellt werden, weil nach der sogenannten Dublin-Verordnung das EU-Erstaufnahmeland für den Antrag zuständig ist.

Das Weigle-Haus - ein sozial und missionarisch engagiertes freies Werk innerhalb der Evangelischen Kirche im Rheinland - bewahrte die beiden Iraner vor einer Rückführung nach Schweden und damit auch vor der drohenden Abschiebung in den Iran. "Dublin ist gefährlich für uns", sagt Sarah.

Jugendpfarrer Rolf Zwick, Leiter des Weigle-Hauses, sieht im Kirchenasyl eine Korrektur des Asylrechts. "Wir gewähren das Kirchenasyl, weil es unsere Pflicht ist, Menschenrechtsverletzungen zu verhindern", sagt der Theologe. In mehr als 80 Prozent der Fälle werde den Flüchtlingen letztlich ein Bleiberecht zugesprochen. "In solchen Fällen steht für mich als Christ die Ethik vor dem Recht", betont Zwick. In der Bibel habe das Kirchen- oder Tempelasyl eine lange Tradition.

Zwick stellt sich vehement gegen die Haltung von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU), der den Kirchen jüngst Rechtsbruch vorgeworfen und einen Vergleich zur islamischen Scharia gezogen hatte. Auch Thomas Flörchinger von der Ökumenischen Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche kann die Kritik des Ministers nicht nachvollziehen. Bei 200.000 Flüchtlingen und derzeit gut 200 Kirchenasylen sei es lächerlich, so zu tun, als wollten die Kirchen die Politik aushebeln.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge verschärft derzeit die Regelungen für Menschen im Kirchenasyl. Sie sollen als flüchtig oder untergetaucht gelten, obwohl ihr Aufenthaltsort bekannt ist. Die Behörden können dadurch künftig 18 statt bislang sechs Monate Zeit erhalten, Asylbewerber in das EU-Erstaufnahmeland zurückzuschicken. Erst nach Ablauf dieser Frist ist Deutschland laut EU-Recht für das Asylverfahren zuständig.

11 Monate müssen sie noch bleiben

Bei Sarah und Amir verfolgen die Behörden bereits diese neue Marschroute. Das Paar muss also noch elf Monate im Kirchenasyl ausharren, bevor es in Deutschland Asyl beantragen kann - und das ohne Geld und ohne Absicherung. Unterhalt und Anwaltskosten finanziert das Weigle-Haus mit Spendengeldern.

Die beiden Iraner wohnen in einem umgebauten Jugendraum, im Nachbarhaus gibt es ein Bad. Zwei Frauen aus der Gemeinde geben ihnen viermal pro Woche Deutschunterricht. Wenn sie krank sind, kommt eine Ärztin aus der Gemeinde und behandelt sie ehrenamtlich. Das Paar unterstützt seinerseits die Hausaufgabenhilfe des Jugendhauses und das Gemeindecafé.

Flörchinger ist sicher, dass die Kirchenasyle durch die verlängerten Fristen und die damit verbundenen höheren Kosten für betroffene Kirchengemeinden nicht abnehmen werden. In der Praxis beobachte er bereits eine Art "Jetzt-erst-recht-Stimmung". "Ich bekomme fast täglich Anfragen von Gemeinden, die Kirchenasyl gewähren wollen", sagt Flörchinger. "Wir lassen uns nicht abschrecken."